Arbeit ist ein Menschenrecht

Marion H. arbeitet in einem Restaurant in Innsbruck und putzt gerade Zwiebeln. Warum sie bei dieser Tätigkeit trotzdem strahlt, ist leicht erklärt. „Mein Job bedeutet mir alles“, sagt die junge Frau. Mit Hilfe von Job.Chance.Tirol hat sie nicht nur den Sprung ins Berufsleben geschafft und ist nun fix angestellt, sie hat auch ihr Leben umgekrempelt. „Ich bin von zu Hause ausgezogen und habe eine eigene Wohnung. Ohne Job und Gehalt wäre das nicht möglich gewesen.“ Auch Hubert Dornauer geht es wieder gut. Der gelernte Elektromeister hat alle Höhen und Tiefen des Lebens erlebt. Er fiel aus dem Arbeitsmarkt und geriet in eine Lebenskrise. Heute arbeitet er mit wenigen Stunden in einem Baumarkt und genießt es, wieder gebraucht zu werden und eine Aufgabe im Leben zu haben. „Es geht mir wieder gut und ich bin so glücklich“. Beispiele wie diese zeigen, wie ein Job helfen und das Selbstvertrauen der Menschen stärken kann. Seit 25 Jahren begleitet die Job.Chance.Tirol Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychischen Beeinträchtigungen und hilft ihnen, am Arbeitsmarkt (wieder) Fuß zu fassen. Das Angebot der Lebenshilfe Tirol wird vom Sozialministeriumservice gefördert und hat bisher 1.900 Arbeitserprobungen, Beschäftigungsverhältnisse und rund 730 erfolgreiche Vermittlungen begleitet.

Individuelle Begleitung als Erfolgsfaktor

„Trotz langjähriger Erfahrung ist jede Begleitung ein Einzelfall“, weiß Dietmar Lindebner, der Job.Chance.Tirol koordiniert. 10 Mitarbeiter/innen umfasst sein Team, das im Jahr rund 90 Jobsuchende begleitet. Und oft ist ein Job der Stein, der alles ins Rollen bringt und neue Chancen und Perspektiven im Leben eröffnet. Die Arbeitsvermittlung ist nicht immer einfach und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität. Einerseits vom Team und den Teilnehmer/innen, andererseits von den Firmen und den Förderstrukturen. „Es gibt nicht den einen Job, sondern es ist immer ein Aufeinanderzugehen, gepaart mit der Bereitschaft, optimale Lösungen für alle Beteiligten zu finden und Hürden zu überwinden“, so Lindebner.
So bedeutet zum Beispiel „arbeitsunfähig“ nicht automatisch, dass man nicht arbeiten kann, und viele Erprobungen sind noch keine Jobgarantie. Hier braucht es Fingerspitzengefühl, viele Gespräche und oft auch das richtige Timing und Setting, auf dem gemeinsam aufgebaut werden kann. So vermittelte die Job.Chance eine Klientin, die jahrelang an verschiedenen Standorten der Lebenshilfe tätig war und mit 47 Jahren den Sprung ins Berufsleben schaffte. „Als der Chef einer Wäscherei gesehen hat, wie perfekt die Frau Hemden zusammenlegen kann, war der Grundstein für die Anstellung gelegt“, so Lindebner.

Das Team der Job.Chance.Tirol prüft nicht nur die Fähigkeiten und Stärken der Arbeitssuchenden, sondern weiß auch genau, welche Aufgaben den Menschen zugetraut werden können und wie belastbar sie sind. So fungiert sie als erste Anlaufstelle, wenn es bei der Arbeitserprobung oder der Einstellung nicht rund läuft. Dabei gibt es keine Tabus. Herausforderungen, Probleme oder Krisen werden offen angesprochen und intensiv nach tragfähigen Lösungen für die Person und den Betrieb gesucht. Das ist vor allem die Aufgabe der Expertinnen und Experten, die gemeinsam mit den Verantwortlichen in den Betrieben versuchen, neue Perspektiven für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entwickeln, damit nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch bestehende gesichert werden können. „Job Chance Tirol leistet einen wichtigen Beitrag zu den Schwerpunkten des Nationalen Aktionsplans (NAP) für Menschen mit Behinderungen im Zusammenhang mit beruflicher/gesellschaftlicher Teilhabe und fördert damit die Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens“, so Angelika Alp-Hoskowetz vom Sozialministeriumservice Tirol.

Nachhaltige Vermittlung in den Arbeitsmarkt

10 Mitarbeiter/innen der Job.Chance.Tirol haben allein im Jahr 2022 90 Menschen begleitet. Rund die Hälfte davon zum ersten Mal. Dabei wurden im Projektzeitraum (durchschnittlich 1,5 Jahre) 24 Dienstverhältnisse mit einer Dauer von mehr als 3 Monaten geschaffen. Insgesamt wurden 36 Berufserprobungen und 60 Fixanstellungen begleitet. Die Job.Chancne.Tirol unterstützt Erwachsene, aber auch Jugendliche mit hohem Unterstützungsbedarf bei der Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, bei der Arbeitsplatzsuche und leistet in Zusammenarbeit mit Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen mit Behinderungen wichtige Arbeit am konkreten Arbeitsplatz, die für eine gelingende, dauerhafte berufliche Inklusion wichtig ist. Umsichtiges und qualitätsvolles Handeln stehen dabei ebenso im Vordergrund wie die umfassende Kooperation und Vernetzung mit zielgruppenspezifischen Partner/innen.

Der Auszug des Sozialministeriumservice in Bezug auf ausschließlich begünstigt behinderte Menschen zeigt, dass im Jahr 2022 in Tirol rund 54% erwerbstätig und gut 59% der betrieblichen Pflichtarbeitsplätze besetzt waren. Damit wird deutlich, dass es weiterer Anstrengungen im Gesamtsystem bedarf, um die berufliche Teilhabe weiter zu verbessern. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass zahlreiche Betriebe auch außerhalb einer Beschäftigungspflicht Arbeitnehmer/innen mit Behinderungen beschäftigen, da sie sozial engagiert sind und einen betrieblichen Nutzen sehen. Vor diesem Hintergrund ist es ein notwendiges Ziel des NAP Behinderung, die Datenlage zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu verbessern, um auch diese Beschäftigungsverhältnisse noch besser sichtbar zu machen.