Lebenshilfe fordert Absicherung und Entlastung von pflegenden Angehörigen
Die Pflege durch Angehörige rückt aufgrund des Mangels an professionellen Pflegekräften wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Debatte. Vor allem bei der Pflege von Kindern mit Behinderungen sind Angehörige meist mit erheblichen physischen, emotionalen und finanziellen Belastungen konfrontiert. Existenzielle Absicherung, flexible Betreuungs- und Entlastungsangebote fehlen. Vertreter:innen der Lebenshilfe haben in Zusammenarbeit mit anderen Initiativen ein Forderungspapier zur Absicherung und Entlastung pflegender Angehöriger erarbeitet.
Pflegende Angehörige spielen neben mobilen und stationären Assistenz- und Pflegeangeboten eine wesentliche Rolle als zentrale Versorgungsform in unserer Gesellschaft. Eine staatliche Absicherung der Betreuung aller pflegebedürftigen Menschen durch ausschließlich professionelle Kräfte ist nicht möglich. Umso wichtiger ist es deshalb, Regelungen und Maßnahmen zu schaffen, um soziale Sicherungs-, Unterstützungs- und Entlohnungssysteme sowie flexible und leistbare Entlastungsangebote für pflegende Angehörige zu schaffen.
Forderungspapier der Lebenshilfe
In ihrem neuen Positionspapier fordert die Lebenshilfe ein umfassendes Unterstützungs- und Entlastungssystem für alle pflegenden Angehörigen. Dieses wurde von Fachleuten unter Einbindung unterschiedlichster Initiativen partizipativ erarbeitet. Ein zentraler Aspekt dieser Forderungen ist die Notwendigkeit von Wahlmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Diese sollen selbst entscheiden können, ob sie in einem „Anstellungsmodell“ ihre zu betreuenden Familienmitglieder zu Hause pflegen oder am Arbeitsmarkt bleiben möchten, und eine Trägerorganisation die Pflege der Angehörigen übernimmt.
Für Angehörige von vor allem Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, die weiterhin einer Arbeit nachgehen wollen, muss es in allen Bundesländern ein leistbares und flexibles Betreuungsangebot für ihre Familienmitglieder auch außerhalb der Öffnungszeiten von Tagesstrukturen und Werkstätten (abends, nachts und an Wochenenden) geben. Zudem bedarf es unbedingt einer zeitlichen Verlängerung des Pflegeurlaubsanspruches.
Aber auch das Anstellungsmodell für pflegende Angehörige nach burgenländischem Vorbild muss überarbeitet werden. Arbeitsrechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen sowie das klare Bekenntnis, dass das Anstellungsmodell nur in Kombination mit anderen zeitlich entlastenden Leistungen funktioniert, sind dafür notwendig.
Finanzielle Unterstützungsleistungen und wohnortnahe Betreuungsangebote fehlen
„In der Regel kümmern sich meist Frauen Tag und Nacht um die Pflege ihrer Angehörigen. Abgesehen von den damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen, fehlen leistbare Angebote zur Entlastung berufstätiger, pflegender Angehöriger wie bspw. mobile Pflegeangebote und persönliche Assistenz sowie wohnortnahe Betreuungsangebote in vielen niederösterreichischen Gemeinden gänzlich.“ berichtet Friederike Pospischil, Präsidentin der Lebenshilfe Niederösterreich und Mutter eines erwachsenen Sohnes mit Behinderung über ihre eigenen Erfahrungen. „Zudem finden sich Frauen, obwohl sie ihr Leben lang gearbeitet und ihre Angehörigen gepflegt haben, oft in der Armutsfalle wieder. Pflegende Angehörige stecken oft beruflich zurück und reduzieren ihre Arbeitszeit, was sich wiederum negativ auf ihre Pension auswirkt. Es ist höchste Zeit, dass die Pflege von Angehörigen endlich auch finanziell entsprechend honoriert wird.“ so Friederike Pospischil weiter.
Notstand bei Ferienbetreuung für Kinder mit Behinderungen
Besonders akut ist die Lage bei Eltern, die Kinder mit Behinderungen pflegen, während der 15-wöchigen Ferien. „Während Kindern von Regelschulen eine Ferienbetreuung zur Verfügung steht, gibt es für Kinder mit Behinderungen in Niederösterreich trotz großen Bedarfes keine oder kaum geeignete Ferienbetreuungs-Angebote“, kritisiert Dominique Stiefsohn, selbst Mutter eines 9-jährigen Sohnes mit einer Behinderung und Mitorganisatorin der Initiative für Ferienbetreuung und Familienentlastung in Niederösterreich. „Eine unserer Forderungen ist deshalb, die wohnortnahen Betreuungsangebote für Kinder mit Behinderungen während des Schuljahres auch in den Ferien weiterzuführen. Gemeinden, die ein solches Betreuungsangebot zur Verfügung stellen, sollten auch entsprechend finanziell gefördert werden.“ so Dominique Stiefsohn abschließend.