Menschen mit Behinderungen haben ein Recht so zu leben wie andere auch. Barrierefrei, selbstbestimmt und erfüllt.

Inklusion ist ein abstrakter Begriff. Politisch betrachtet ist es eine Querschnittsaufgabe. Eine Aufgabe, der sich Politik und Gesellschaft stellen müssen, weil sie die Lebensrealität von uns allen betrifft. Inklusion beschreibt, wie wir als Mitglieder der Gesellschaft leben möchten: In einem wertschätzenden Miteinander, in dem niemand ausgeschlossen wird. Jeder Mensch ist ein anerkannter Teil der Gesellschaft. Bürger*innen in einer inklusiven Gesellschaft leben selbständig und eigenverantwortlich. Alle Personen haben Aufgaben und Pflichten, denen sie nachkommen sollen. Sie alle haben auch die gleichen Rechte, zum Beispiel auf inklusive Bildung und gesellschaftliche Teilhabe.

Was ist der Unterschied zwischen Integration und Inklusion?

Integriert wird ein Mensch, der schon ausgeschlossen ist oder von außen kommt. Integration zielt auf die persönliche Anpassungsleistung des zu integrierenden Menschen. Das System selbst (Schule, Arbeit, Vereine…) ändert sich nur wenig.

Inklusion bedeutet, dass von vornherein keine Person ausgeschlossen wird. Das allgemeine Schulsystem schließt kein Kind aus oder weist es ab. Jedes Kind lernt mit seinen Altersgenoss*innen, Menschen sind im regulären Arbeitsmarkt dabei oder leben wie alle anderen auch in der Nachbarschaft. Dafür bietet die Gesellschaft Unterstützung an und verändert sich selbst. Sie heißt alle Menschen willkommen.

Behindertenpolitik im Wandel

Die Behindertenpolitik hat in den letzten Jahren einen bedeutenden Wandel erfahren. Während sie vormals vom Gedanken der Fürsorge und Unterbringung und später von der Integration in die Gesellschaft mithilfe von Unterstützungsstrukturen geprägt waren, sprechen wir heute von Inklusion als anzustrebendes Ziel. Menschen mit Behinderungen haben das Recht miteinander in der Gesellschaft zu leben. Wohnhäuser der Behindertenhilfe sind oft am Rande der Ortschaften angesiedelt. Durch die Schaffung barrierefreier Lebensumfelder innerhalb der Gemeinden kann eine Transformation geschehen. Dies impliziert einen Wandel der Organisationen der Behindertenhilfe und die Schaffung eines geeigneten Rahmens durch die Politik.

In der UN-Behindertenrechtskonvention sprechen wir von De-Institutionalisierung. Das bedeutet große Wohneinrichtungen hin zu personenzentrierten Wohnangeboten umzuwandeln und die nötige Begleitstrukturen zu bieten, sodass eine selbstbestimmte Lebensführung möglich wird. Die Übergangsprozesse vom Wohnen in großen Wohnverbünden hin zu kleinen Wohneinheiten inmitten der Gemeinde sind für Menschen mit Behinderungen sehr sorgfältig zu gestalten. In allen Phasen sind Nutzer*innen und Angehörige, Behörden, Sozialplanungsabteilungen, Gemeinden und Begleiter*innen aktiv einzubeziehen. Die öffentliche Finanzierung muss selbstbestimmtes Wohnen in der Gemeinde ermöglichen.

Das Vorhandensein verschiedener Lebensräume und -kontexte kennzeichnet menschliches Leben. Die Vielfalt und die Möglichkeit, diese aktiv zu wählen, zu gestalten und sich selbst darin zu verwirklichen, geben dem Leben Sinn und Wert.[1]

Das Recht auf eine unabhängige Lebensführung

Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention erkennt das Recht von Menschen mit Behinderungen an, mit den gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Dabei ist unabhängige Lebensführung im Sinne von selbstbestimmter Lebensführung zu verstehen.

Selbstbestimmung bedeutet, Kontrolle über das eigene Leben zu haben. Menschen mit Behinderungen haben akzeptable Wahlmöglichkeiten zur Verfügung, für die sie sich entscheiden und so über ihr Leben selbst bestimmen können. Sie haben die Kompetenz dazu und werden dazu befähigt. Jeder Mensch soll mit passender Unterstützung selbstbestimmt und mit guten sozialen Beziehungen leben können.

Gleichzeitig legt die UN-Behindertenrechtskonvention den Staaten die Verpflichtung auf, für die Verwirklichung dieses Rechts und die volle Einbeziehung in und Teilhabe an der Gemeinschaft wirksame und geeignete Maßnahmen zu treffen.

Diese Maßnahmen sollen unter anderem gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort frei zu wählen. Sie sollen entscheiden dürfen, wo und mit wem sie leben, und sind nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. Weiterhin soll gewährleistet werden, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in den verschiedenen zur Auswahl stehenden Wohnangeboten haben. Dies schließt auch die Persönliche Assistenz ein, die das Leben in der Gemeinschaft und die Einbeziehung in die Gemeinschaft unterstützt und Isolation und Ausgrenzung verhindert.[2]

Das Konzept der Community Care

Das Konzept der Community Care ist dadurch gekennzeichnet, dass Menschen in ihrer Individualität Wertschätzung erfahren und trotz unterschiedlichster Lebensbedingungen einen Platz inmitten der Gesellschaft einnehmen können. Maßgeblich für das Konzept der Community Care ist der Verzicht auf Aussonderung und spezieller Lebenswelten für Menschen mit Behinderungen. Das bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderungen, Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, junge und alte Menschen zusammenleben. Gerade für Menschen mit Behinderungen soll diese Form des Zusammenlebens eine Chance darstellen, indem sie professionell unterstützt die Unterstützung der Gemeinschaft (Nachbarschaft) erfahren. Alle Menschen, die in dieser Gemeinschaft leben, haben die Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen. Dadurch können positive Veränderungen, insbesondere im Kontext traditioneller Stigmata aufgebrochen werden.

Menschen mit Behinderungen sollen als Bürger*innen mit gleichen Rechten und Pflichten betrachtet und in die Gemeinschaft selbstverständlich inkludiert werden. Dazu müssen Ressourcen bedarfsgerecht eingesetzt und sozialraumbezogen verwaltet werden. Selbstverständlich gilt das auch für Menschen mit hohem und komplexem Unterstützungsbedarf. In dieser am Community Care-Leitbild ausgerichteten Gemeinschaft muss Inklusion nicht in einer künstlichen Sonderwelt ermöglicht werden, sondern findet im alltäglichen Zusammenleben nach der Idee der Inklusion statt.[3]

[1] Lebenshilfe Tirol. Dem Leben Raum geben Positionspapier der Lebenshilfe Tirol. (2017). Positionspapier-Wohnen.pdf (lebenshilfe.tirol)

[2] UN-Behindertenrechtskonvention. UN-Behindertenrechtskonvention (sozialministerium.at)

[3] Theunissen, Georg. Brauchen wir stationäre Sonder-Welten? In: FINK, Franz; HINZ, Thorsten (Hg.). Inklusion in Behindertenhilfe und Psychiatrie: Vom Traum zur Wirklichkeit. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag (2010) S.36ff.